5 Apr 2020

1. Online-Mahnwache 6.4. 18 Uhr

Posted by Dirk

Hallo,

ich begrüße Euch zu unserer ersten Online-Mahnwache. Ab 18 Uhr gibt es hier viel zu lesen, einiges auch zu hören und zu sehen. Ich freue mich auf Rückmeldungen und Infos von Euch. Schickt mir eine Email zepol@gmx.de, die ich dann sofort einbauen werde. Denkt daran ständig beim Browser auf aktualisieren zu drücken.

Wir haben viele interessante Beiträge für Euch, die, ganz wie bei der regulären Mahnwache, nacheinander folgen. 

Zu Beginn unserer Mahnwache erfolgt eigentlich immer eine Schweigeminute, was am Computer aber nur wenig Sinn macht. Daher gibt es einen kurzen musikalischen Beitrag, der daran erinnern soll, dass in einer Krise Solidarität und Unterstützung mehr zählt als Egoismus und nationale Abschottung. Wir denken an die Opfer der Atomkraft, der vom Coronavirus betroffenen Menschen, an die Hungernden und die Geflüchteten:

Vielen Dank an Sine für Ihren musikalischen Beitrag. Als nächstes bin ich selbst dran: Im folgenden Beitrag geht es um Krisen: Corona und Klima-Krise:

Unser nächster Beitrag kommt von Randy. Es geht um die aktuelle Lage in Fukushima und die olympischen Spiele in Japan:

Fukushima/Japan Mahnwache April 2020

Verlegung der olympischen Spiele

Die olympischen Spiele 2020 in Tokio sollten der Welt suggerieren, dass die atomare Kata-strophe, die mit dem mehrfachen Super-Gau am 11. März 2011 im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi begann, Geschichte sei. Die Eröffnungsspiele der olympischen Baseball- und Softballturniere sollten in der Präfektur Fukushima stattfinden, direkt in Fukushima City – nur 50 km von dem havarierten Atomkraftwerk entfernt. Wir haben, wie viele andere Aktivist*innen und Kritiker*innen weltweit, immer wieder gefordert, dass weder olympische Wettkämpfe noch der olympische Fackellauf in den verstrahlten Gebieten stattfinden darf.

Inzwischen ist klar: Es wird im Jahr 2020 keine olympischen Spiele in Japan geben. Nicht wegen unseres Protests, nicht wegen der Forderung, die olympischen Spiele nicht poli-tisch zu missbrauchen und der Welt vorzugaukeln, die Situation in Fukushima sei unter Kontrolle und man sei auf dem Weg zurück zur Normalität. Dies alles spielte keine Rolle bei der Entscheidung, sondern wegen der Corona-Pandemie werden die Spiele in diesem Jahr nicht stattfinden.

Können wir uns dennoch freuen? Die Antwort ist ein klares Nein. Denn zum einen sind die olympischen Spiele lediglich um ein Jahr verschoben, sie sollen im nächsten Jahr am gleichen Ort stattfinden und am 23. Juli 2021 in Tokio eröffnet werden. Zum anderen ist das olympische Feuer bereits in Japan und wird auch bis 2021 dort bleiben. Schlimmer noch: Das olympische Feuer ist an die Präfektur Fukushima übergeben worden, wo es bis mindestens Ende April im Sportzentrum J-Village, welches innerhalb der 20km-Sperrzone um das AKW Fukushima liegt, ausgestellt wird. In einem Gebiet, in dem nach wie vor hohe Strahlungswerte gemessen werden, in dem die Böden trotz der Dekontamination hohe Cäsiumwerte aufweisen und das in weiten Teilen nach wie vor unbewohnbar ist. Im Vorfeld sprachen die Organisator*innen von dem olympischen Feuer als der „Flamme der Erholung“. Welch ein Sarkasmus in dieser Formulierung steckt, ist schnell erkennbar, schaut man auf die ökologischen und sozialen Folgen der Atomkatastrophe, die in Japan weithin sichtbar sind: Entwurzelte Familien, dramatische gesundheitliche Folgen, auf Ewigkeit unbewohnbare Gebiete, hunderttausende Säcke mit verstrahlter Erde, verseuchte Wälder, Flüsse und Seen.Und auch die Situation auf dem Gelände des havarierten Atomkraftwerks ist mitnichten unter Kontrolle. So lagern auf dem Gelände zurzeit ca. 1.200.000 Tonnen hochradioaktives Wasser in knapp 1000 großen, teilweise undichten Tanks. Nach dem Willen der Regierung soll dieses Wasser in den Pazifik verklappt werden. Nach einer „ausreichenden“ Verdünnung würden die darin enthaltenen radioaktiven Stoffe die gesetzlich festgelegten Ober-grenzen unterschreiten und das radioaktiv belastete Wasser stelle keine Gefahr mehr für Umwelt und Gesundheit dar, so eine Unterkommission der Regierung. Fischer, Fischereigenossenschaften, lokale Bürger*innen und Umweltverbände sprechen sich dagegen weiterhin strikt gegen diese Pläne aus, da vor allem durch das im Wasser befindliche radioaktive Tritium sehr wohl gesundheitliche Gefahren bestehen und es nach wie vor keine Möglichkeit gibt, dieses Tritium aus dem Wasser herauszufiltern.

Im Reaktorgebäude 2 des AKW Fukushima Daiichi herrscht auch nach über 9 Jahren seit Beginn der Reaktorkatastrophe weiterhin eine hohe Strahlung. So wurde in einer Roboter-

mission am 30.01.2020 festgestellt, dass das Reaktorgebäude 2 aufgrund der hohen Strahlung weiterhin nicht betreten werden kann. Etwas besser scheint die Situation im Reaktorblock 3 zu sein, wo derzeit immerhin die Brennelemente aus dem Abklingbecken geborgen werden. Bis zum 13.03.2020 wurden 105 der 566 Brennelemente entnommen und in ein Zusatzabklingbecken gebracht, welches sich ebenfalls auf dem Gelände befindet. Bis März 2021 sollen alle Brennelemente aus dem Abklingbecken geborgen sein. Zurzeit finden allerdings Wartungsarbeiten am Entnahmekran statt, weshalb die Bergung der Brennelemente voraussichtlich bis Juni un-terbrochen ist.

Weiter geht dagegen der Rückbau des Schornsteins der Reaktorblöcke 1 und 2, der bereits auf 78 rückgebaut wurde. Der hochradioaktiv kontaminierte Schornstein war akut ein-sturzgefährdet und soll deshalb noch bis auf 60 Meter zurückgebaut werden. Die Arbeiten erfolgen aufgrund der hohen Strahlung mit einem ferngesteuerten Kran mit speziellen Schneidewerkzeugen. Voraussichtlich Anfang Mai sollen die Arbeiten beendet sein.

Unsere Forderung bleibt auch für 2021 bestehen: Keine olympischen Wettkämpfe und kein olympischer Fackellauf in den verstrahlten Gebieten!

 

Ganz in der Nähe steht das AKW Grohnde, dessen Revision ansteht. Hierzu ein Bericht von Christine:

Revision im AKW Grohnde findet nicht wie geplant statt

Im AKW Grohnde sollte es im April wie jedes Jahr eine Revision geben. Dazu wird das AKW für 14 Tage abgeschaltet. Es werden die Sicherheitssysteme überprüft, ein Teil der Brennstäbe werden ersetzt und an den elektrischen Schaltanlagen und Amaturen wird eine Inspektion durchgeführt.

Dazu braucht man zusätzlich zum Stammpersonal 1000 Beschäftigte von Fremdfirmen. In dieser Situation wird das Risiko von Corona Infektionen innerhalb des Personals und in der Region massiv erhöht.

Am 3. April gab es eine Pressekonferenz, in der die Gesundheitsministerin C. Reimann und der Umweltminister O. Lies mitgeteilt haben, dass die Revision nicht wie geplant stattfindet. Sie haben sich auf einen Kompromiss geeinigt, das deutlich weniger Mitarbeiter (100 bis maximal 250) vor Ort sind und die Revision dafür 4 Wochen länger dauert. Insbesondere unter den derzeitigen Umständen wäre es sinnvoller gewesen, das AKW  Grohnde bis zum Ende der Corona Krise abzuschalten, wenn nicht sogar den Abschalttermin von Ende 2021 jetzt vorzuziehen. Bereits im April 2017 haben wir(AAI Gö)schon gefordert, das AKW Grohnde sofort abzuschalten. Dieser Forderung schloss sich der Rat der Stadt Göttingen an und es folgten  viele Kommunen und Landkreise.

Auch das Thema der Asse beschäftigt uns weiterhin. Hierzu hat Konstanze einen Beitrag vorbereitet:

Rückhol-Konzept zur Bergung der Asse-Abfälle

Im früheren Salzbergwerk Asse 2 bei Wolfenbüttel wurden zwischen 1967 und 1978 fast 126 000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Müll oder mit chemischen Abfällen verklappt. Das sind 47.000 Kubikmeter Atommüll, mit 100 Tonnen radioaktivem Uran, 87 Tonnen strahlendem Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm extrem giftigen Arsens. Alles zusammen lagert kreuz und quer in 13 unterirdischen Kammern. Die Gebinde wurden zum Teil so abgekippt, dass die Fässer geborsten sind und sich der Inhalt mit dem Salz zu einer radioaktiven Brühe vermischt hat.

Inzwischen laufen täglich tausende Liter Wasser in das Bergwerk, die aufwendig aufgefangen und abgepumpt werden müssen. Experten befürchten unkontrollierte Grundwassereinbrüche in die instabilen Kammern. Bleibt der Atommüll in der Asse, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Radioaktivität irgendwann – wann? – ins Grundwasser gelangt und damit eine ökologische Katastrophe in der ganzen Region anrichtet. Deshalb wurde vor über zehn Jahren beschlossen, das Bergwerk zu räumen und alle Fässer wieder an die Oberfläche zu holen.

Betreiber der Asse 2 ist die staatseigene Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE). Vorletzte Woche hat sie der Öffentlichkeit nun das lang erwartete, erste „Rückholkonzept“ vorgestellt. Auf knapp150 Seiten werden als Eckpunkte des weltweit einmaligen Vorhabens der Bau eines weiteren Schachtes, die Strategie zur Behandlung der zu bergenden Abfälle und ein Standortvorschlag für ein Zwischenlager beschrieben.

Um die zum Teil geborstenen und verrosteten Fässer nach oben zu schaffen, soll ab 2023 ein neuer Schacht 5 ins Gestein getrieben und unter der Erde mit dem bestehenden Bergwerk verbunden werden. Die eigentliche Rückholung des strahlenden Mülls soll dann größtenteils mit ferngesteuerten Maschinen erfolgen. Damit ist jedoch laut BGE „nicht vor 2033“ zu rechnen. Auf dem neuen oberirdischen Teil des Betriebsgeländes soll eine Abfallbehandlungsanlage gebaut werden, damit die Abfälle sortiert und umverpackt werden können. Laut BGE wird  sich die Abfall-Menge nach ihrer Rückholung und „endlagergerechten Verpackung“ auf ein Volumen von bis zu 220.000 Kubikmeter vervielfachen.

Bislang ist unklar, was langfristig mit dem Asse-Müll passieren soll. Das im Bau befindliche Atommülllager Schacht Konrad, in dem nach Plänen der Bundesregierung irgendwann sämtlicher schwach- und mittelaktiver Abfall aus Deutschland gelagert werden soll, ist zu klein konzipiert – und auch nicht dafür zugelassen. Der Bau eines weiteren, größeren Zwischenlagers wird also nötig sein. Eine kontroverse Debatte um einen Standort dafür läuft.

Die Kosten für die Rückholung hat die BGE auf gigantische 3,35 Milliarden Euro geschätzt – die nicht etwa die Abfallverursacher sondern wir alle aufbringen müssen.

Quellen:https://www.ausgestrahlt.de/blog/2020/04/02/asse-2-bergung-des-atommuells-ab-2033https://www.neues-deutschland.de/artikel/1134919.asse-alles-muss-raus.htmlhttps://www.asse-2-begleitgruppe.de/2020/04/01/rueckholplan

Zum Thema Asse ist Professor Rolf Bertram sehr aktiv. Er hat mir ein Zeitungsinterview zugesandt, das ich aus urheberrechtlichen Gründen leider nicht auf die Seite nehmen kann. Der Artikel ist aber auf der Seite der Zeitung zu finden: https://www.wolfenbuetteler-zeitung.de/wolfenbuettel/article228021859/Asse-Pate-Bertram-vermisst-Gesamtkonzept-fuer-Atommuelllager.html

Ganz aktuell folgt noch ein Beitrag von Sine:

Waldbrand in und um die Sperrzone Tschernobyl

Seit vergangenem Samstag brennen in der radioaktiv belasteten Sperrzone des 1986 havarierten Atomkraftwerkes Tschernobyl 25 Hektar Wald. 150 Feuerwehrleute kämpfen mit der Löschung des Feuers, sie werden aus der Luft unterstützt.

 

Damit wären wir am Ende unserer Mahnwache angekommen. Danke für die Ausarbeitung der Beiträge. Und Dank an Euch für die Aufmerksamkeit.

Unsere nächste Mahnwache findet am Montag, den 4. Mai statt, der Ort steht noch nicht fest, wir warten die Entwicklung ab. Vielleicht wieder am Gänseliesel wie gewohnt. Oder, wenn es nicht anders geht, online. Themen gibt es genug, die Atomtransporte bei Gronau, das Atom-Logistik-Zentrum bei Bad Karlshafen, es lohnt sich dabei zu sein. Und wir freuen uns über Rückmeldungen.

…und wer noch aktiv sein möchte sollte diesen wichtigen Aufruf unterstützen: https://secure.avaaz.org/campaign/de/global_ceasefire_loc/?bVrZvgb&v=124580&cl=16950210486&_checksum=52df582b70b9efe7dfa30da63e6fdee6560d76ee28137d75e880ae5c110579ce&signup=1

Bleibt gesund und bleibt kämpferisch!

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